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Ovacik

Ovacik

17 Nisan 2009 Cuma

Zwischen Heimatliebe und Vaterlandsverrat

ZENITH – Zeitschrift für den Orient Türkei

Interview: Mieste Hotopp-Riecke und Anja Hotopp

Ferhat Tunç ist einer der erfolgreichsten Liedermacher in der Türkei. Als Mitglied der Künstlerorganisation Freemuse setzt er sich für bedrängte Künstler weltweit ein und gerät doch selbst immer wieder zwischen die Mühlen des Gesetzes. Auch nach jahrelangen Reformen in Hinblick auf einen Beitritt der Türkei zur EU haben sich die Probleme derer, die politische Teilhabe einfordern, dabei aber ihr Fähnchen nicht in den Wind hängen, nicht verringert


Sie sind einer der erfolgreichsten Musiker der Türkei. Wie beschreiben sie ihre Musik?

Protestmusik, die sehr stark traditionelle Elemente einbindet. So wäre es auch nicht falsch, meine Musik als zeitgenössische Volksmusik zu umschreiben. Die Quelle, aus der ich musikalisch schöpfe, ist meine Heimat, Dersim, die Kultur und die Werte, nach denen die Menschen dort leben. Das hat mich geprägt.


Das klingt nicht bedrohlich, trotzdem sind mehrere Verfahren gegen sie anhängig, und vor einigen Wochen drangen paramilitärische Einheiten in ihr Haus ein, um sie zu verhaften.Was war der Grund für die Verhaftung?

Es klingt zwar unglaublich, ist aber leider wahr: Ein Lied, das ich vor zwei Jahren auf einem Festival in Tunceli/Dersim gesungen habe, soll den Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Organisation erfüllen! Die Uniformierten drangen in mein Istanbuler Haus ein, um mich zum Staatssicherheitsgericht in Istanbul-Besiktas zu bringen. Sie versetzten meine Tochter und meine Frau in Angst und Schrecken. Das Ganze war völlig unnötig, ich lebe seit Jahren dort, weder verdeckt noch illegal. Anstatt eine Aussage zu Hause aufzunehmen, wird so eine Einschüchterungsmassnahme durchgezogen – skandalös. Meine Anwälte sorgten jedoch dafür, dass ich nach wenigen Stunden bereits wieder frei war.


Was ist das für ein Lied?

In dem Lied „On yedi cana“ (Für siebzehn Leben) geht es um die emotionale Bindung zwischen den Menschen meiner Heimat Dersim und den Bergen, um die mystische Verbundenheit mit Natur, Geschichte und Freiheitsliebe. Das wird mir nun als Unterstützung der TIKKO ausgelegt. Das ist paradox, bin ich doch in anderen Verfahren beschuldigt – fünf sind derzeit anhängig –, die PKK zu unterstützen. Die TIKKO ist die Arbeiter und Bauern-Befreiungsarmee der Türkei (Türkiye isci Koylü Kurtulus Ordusu), eine kleine linksradikale Guerilla, die im Gegensatz zur PKK nicht explizit auf türkische oder kurdische Nationalität abhebt.


Wer erhob Anklage, und was könnte der Grund für das martialische Auftreten der Polizei sein?

Anklage erhob die Staatsanwaltschaft Malatya vor zwei Jahren. Seit der Machtübernahme der AKP ist die Repression gegen die Demokratiebewegung in der Türkei keineswegs milder geworden. Im Gegenteil: Die Zahlen des türkischen Menschenrechtsvereins IHD belegen, dass im letzten Jahr so viele Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu beklagen waren wie seit acht Jahren nicht mehr. Wie weit es mit der Demokratisierung ist, zeigt die AKP-Regierung deutlich mit solchen Aktionen. Auf diese Art und Weise wird Macht demonstriert – gerade in Zeiten, in denen türkische Soldaten gegen kurdische Rebellen vorgehen mussten.


Und was sagen Sie zu den Vorwürfen?

der letzten Bürgermeisterwahl in Istanbul nicht ausschließen kann. Jetzt wird gegen mich ermittelt nach Paragraph 301. Dies ist ein Gummi-Paragraph des türkischen Strafgesetzbuches, der die Verunglimpfung und oder Herabsetzung des "Türkentums", der Republik oder des Nationalparlamentes mit einer Haftstrafe bis zu zwei Jahren belegt. Bereits andere kurdische Künstler haben ihre Karriere im Ausland fortsetzen müssen. Liedermacher Ahmet Kaya oder Filmemacher Yılmaz Güney beispielsweise, weil die Repressionen im Land nicht mehr auszuhalten waren.


So Auch Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk und der große Romancier Yasar Kemal standen schon wegen des Paragraphen 301 vor Gericht. Will man wie Sie lieber außer Landes sehen?

Wie in den anderen Verfahren auch werde ich mich juristisch wehren. Wenn es sein muss, werde ich, wie in der Vergangenheit auch, bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen. Die Absicht, mein gesellschaftliches Engagement zu verhindern oder die Ressourcen für mein künstlerisches Schaffen durch diese Abwehrkämpfe zu schmälern, werde ich unterlaufen: Ich werde weiterhin singen und schreiben – hier und in Europa. Kemal, Pamuk und ich haben das Glück, eine große Öffentlichkeit mit unserer Kunst zu erreichen, die auch in derartigen Situationen hinter uns steht. Doch für die Künstler und Gesellschaftskritiker in der Türkei, die keine Lobby haben, ist es noch härter.


Welche Projekte verfolgen Sie gerade?

Nachdem ein Filmprojekt für die BBC abgebrochen werden musste, weil mein Kollege bei diesem Projekt, der armenische Publizist Hrant Dink, erschossen wurde, stehe ich derzeit vor einigen Konzerten im Ausland, arbeite an Clips für meine Lieder und bin aktiv bei „Freemuse“.

Lobbyarbeit und die Vernetzung von untedrückten Musikerkollegen weltweit sind sehr wichtig.

Unter dem Motto „Die Gedanken sind frei“ werde ich deshalb am 3. April in der Berliner

Passionskirche auftreten. Als Gäste werden Konstantin Wecker und Hans Eckhardt Wenzel dabei sein, die sich auf diesem Wege mit meiner Situation und mit Künstlern in der Türkei

solidarisieren.


Was ist Freemuse?

Der 3. März ist der internationale Tag der Freiheit der Musik.Die weltweit agierende Künstlerinitiative "Freemuse“ (Freedom of Musical Expression) ist seit Jahren im Kampf gegen die Unterdrückung von Musikern und gegen Zensur aktiv. Zum zweiten Mal trafen sich in diesem Jahr Musiker, Sänger und Journalisten aus aller Welt, um die Freiheit der Worte und der Musik einzufordern, um auf verfolgte Musiker aufmerksam zu machen und sich zu vernetzen. Erstmalig wurde das Konzert der in „Freemuse“ zusammengeschlossenen Musiker von Oslo aus in ganz Europa übertragen.Von Norwegen bis Portugal, von Bulgarien über Litauen bis Island wurde dem Anliegen kritischer Liedermacher Gehör verschafft!


Die Staatsmacht müsste sich nun schon entscheiden: Bin ich ein TIKKO-Unterstützer oder ein PKKler?

Wenn man die politischen Verhältnisse in der Türkei kennt, ist klar, dass man nicht beides in einer Person sein kann. Das ist absurd. Der Staat handelt mit der Logik von Blutfehde: Nur weil Kritiker nicht schweigen, wird versucht, sie mundtot zu machen. Ich bin politisch denkender Künstler – nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Sie berichteten, dass derzeit fünf Verfahren gegen sie laufen, welche?

Neben diesem Verfahren wird gegen mich ermittelt, weil ich mehrere Artikel für die Freilassung der kurdischen Politikerin Leyla Zana schrieb und öffentlich anmerkte, dass ich Wahlbetrug bei

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