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Ovacik

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17 Nisan 2009 Cuma

Ohne Anhörung/ Frankfurter Rundschau

Frankfurter Rundschau, Anja Hotopp, 25.8.03

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Im Internet unter URL http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=276373&


Trotz Mangels an Beweisen geht der Prozess gegen den türkisch-kurdischen Liedermacher Ferhat Tunc weiter ,,Merhaba tekrardan" waren die entscheidenden Worte. Sie hatten für Ferhat Tunc, einen der bekanntesten Liedermacher der Türkei, einen achttägigen Gefängnisaufenthalt zur Folge. Übersetzt bedeuten sie so viel wie "nochmals guten Tag" und waren an die 40000 Besucher eines Konzerts in Dogubeyazit am Ararat gerichtet, dem ersten Konzert Tuncs nach über zwanzig Jahren in der Stadt. Doch vier Polizisten hatten angeblich etwas anderes verstanden. Sie hörten "Merhaba PKKlilar" – "Guten Tag, PKKler". Ferhat Tunc wurde wenige Tage nach dem Konzert festgenommen. Sämtliche Mitschnitte des Konzertes sind verschwunden. Das Gericht in Erzurum vertraute ohne Anhörung von Zeugen und Begutachtung von etwaigen Beweismitteln allein den Auskünften der Staatsanwaltschaft von Dogubeyazit, wo das vom Tourismusministerium geförderte Konzert stattfand.


In diesen Tagen startete der Prozess. Eigentlich lautete die Anklage des Staatssicherheitsgerichts auf Unterstützung einer terroristischen oder separatistischen Organisation nach Artikel 169. Mit der Verabschiedung des achten EU Gesetzesanpassungspakets allerdings wurde der Artikel jüngst abgeschafft. So fehlen nicht nur die Beweise im Verfahren gegen Tunc, es fehlt auch der Paragraph des Gesetzes, auf dem die gesamte Anklage fußt. Kurzerhand wurde die Anklage gegen Tunc umgeschrieben und lautet jetzt: ,,Unterstützung einer illegalen Organisation" – nach Artikel 312.


Tunc dankte während des ersten Prozesstages dem Gericht, dass ihm so die Chance gegeben werde, den Menschen in und außerhalb der Türkei zu zeigen, wie viel Arbeit noch zu leisten sei, bis von einer offenen Demokratie gesprochen werden könne. Mit dem Prozess setze der türkische Staat seine mittlerweile zur Tradition gewordenen Unart fort, Künstler außer Landes zu treiben.Tunc zieht historische Parallelen zu Künstlern wie Nazim Hikmet, Yilmaz Güney und Ahmet Kaya. Hikmet gilt heute als größter Dichter des Landes und nahm teil am kemalistischen Befreiungskrieg. Da er aber bekennender Kommunist war, wurde er ins Exil getrieben. ,,In dreißig, vierzig Ländern werde ich gedruckt, nur in meiner Türkei ist mein Türkisch verboten", sagte Nazim Hikmet einst. Er starb im Exil. Yilmaz Güney war Regisseur und Wegbereiter des türkischen und kurdischen Films. Heute wird er als der größte Regisseur der Türkei bezeichnet. Doch als er sich zu seiner kurdischen Herkunft bekannte, wurde auch er außer Landes getrieben und starb gleichfalls im Exil, ebenso wie Ahmet Kaya, der berühmte Sänger und Songwriter. Der kurdische Musiker, der ein guter Freund von Ferhat Tunc war, wird heute sogar in staatlichen Läden verkauft.


Ferhat Tunc, der in den siebziger und achtziger Jahren in Rüsselsheim lebte, stehen unsichere Zeiten bevor. Denn wie sich die politische Situation in der Türkei nach dem 1. September entwickeln wird, bleibt offen. Bis dahin hat die türkische Regierung noch ein wenig Zeit, Gesetzesänderungen vorzunehmen. Die Regierung hat die Einführung eines so genannten Reuegesetzes vorgeschlagen, wo jene straffrei ausgehen würden, die nicht am bewaffneten Kampf teilgenommen haben, ihrer Vergangenheit abschwören und Interna preisgeben, also als Kronzeugen fungieren.


Ferhat Tunc singt seine Lieder in kurdischer und in türkischer Sprache, mit seiner Musik wirbt er für Frieden und Brüderlichkeit in der Türkei. Mittlerweile hat er selbst gegen die vier Polizisten Klage eingereicht. Der in Dersim geborene Liedermacher lebte von 1979 bis 1985 in Deutschland, wo auch sein erstes Album entstand. Er besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft, so dass auch das deutsche Konsulat Interesse am Verfahren hat – ein zusätzlicher Schutz für Tunc, der trotz der schwierigen Situation durch seine Popularität ein gewisses Maß an Sicherheit genießt. Der zweite Prozesstag ist für den 21. Oktober avisiert. Bis dahin wird es noch zahlreiche Konzerte geben, unter anderem in Diyarbakir und auf der

Internationalen Musikmesse in Izmir.

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